Programmieren in der Schule – Mache ich das Richtige wichtig und das Wichtige richtig?

Im Rahmen einer Sonderausgabe von „Schule aktiv“ wurde ich gebeten, einen kurzen allgemein gehaltenen Text zum Thema Programmieren im Unterricht zu schreiben. Diese Einladung hat mich sehr gefreut, ich habe gerne angenommen. Herausgekommen ist ein sehr konzentrierter Text. Hier der Link zur Zeitschrift, die in Österreich alle Schulen erhalten: http://pubshop.bmbf.gv.at/detail.aspx?id=666

Mache ich das Richtige wichtig und das Wichtige richtig? Angesichts der zwar unglaublichen und dennoch begrenzten Speicherkapazität unseres Zentralnervensystems und der überschaubaren Zeitkontingente für die Bildungsinstitutionen, stellt sich diese Frage für uns Lehrende immer wieder aufs Neue. Was soll Teil des Unterrichts sein und wie ist mein Unterricht gewinnbringend? Soll Programmieren und Robotik sowie Computational Thinking Platz finden in der Primar- und Sekundarstufe I, wo doch schon die grundlegenden Fertigkeiten wie Schreiben, Lesen und Rechnen von vielen Schülerinnen und Schülern nur teilweise beherrscht werden?

Mache ich das Richtige wichtig?

Welche Kompetenzen brauchen unsere Schüler/innen um sich in einer zunehmend komplexeren, digitalisierten Welt und in Anbetracht absehbarer globaler ökologischer wie sozialer Umwälzungen zurecht zu finden? So wichtig die Kompetenzen Schreiben, Lesen und Rechnen auch sind, sie werden nicht reichen. Neben anderen Institutionen hat auch das World Economic Forum eine Übersicht zu den 21st-Century-Skills erstellt. Bei den grundlegenden Fertigkeiten wird als eine von sechs ICT-Literacy angeführt. Was aber noch wichtiger ist: kreative Informatik, Coding und Robotik beeinflussen die vom WEF genannten Kompetenzen für komplexe Herausforderungen: kritisches Denken, Problemlösen, Kreativität, Kommunikation und Kollaboration. Informatische Bildung als Wert und Mehrwert.

Wenn man sich für die Implementierung des Themas Coding in den Unterricht einsetzt, ist man dem Vorwurf ausgesetzt, dass Inhalte für eine kleine Minderheit in der künftigen Arbeitswelt propagiert werden. Dabei hat Informationstechnologie für die Wirtschaft enorme Bedeutung und bringt der Jugend gleichzeitig hervorragende Berufsaussichten. Programmieren ist Teil informatischer Bildung und diese ist unmittelbare Voraussetzung für eine Vielzahl von Berufen. Hinzu kommt, dass der Wandel in der Berufswelt durch die Leitmedientransformation uns vor neue Herausforderungen stellt, Faktenwissen ist heute sehr vergänglich, andere Kompetenzen werden von den Schulabgängern und Schulabgängerinnen verlangt. Dieser Tatsache wird das Bildungswesen noch nicht gerecht. Die bei der Auseinandersetzung mit Informatik erworbenen Kompetenzen beschränken sind nicht nur informatische, bei der Beschäftigung mit den 0en und 1en kann man auch viel über Physik, Mathematik, Deutsch, Philosophie, über Kooperation, Kommunikation lernen, Problemlösestrategien trainieren und Kreativität ausleben.

Neben diesem Bezug zur Arbeitswelt es weitere Argumente, die für den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht im Allgemeinen und Programmieren als Unterrichtsinhalt im Besonderen sprechen (Methodenvielfalt, Lebenswelt, Wechselwirkung, Reflexion). Unsere Lebenswelt verändert sich grundlegend. Das Digitale ist mitten unter uns, angesichts des Zusammenpralls mit einer Schuldidaktik, die auf dem Leitmedium Buch gegründet ist, sind wir planlos, ziellos und nicht in der Lage, die Folgen abzuschätzen.

Sollen jetzt etwa alle Schüler/innen künftig Programmierer werden? Genauso wenig, wie alle Schriftsteller werden sollen, die das Schreiben erlernen. Aber: wer weiß, wie man programmiert, hat einen tieferen Einblick in die Mechanismen der digitalen Welt. Um die Abstraktion weiter zu treiben: Programmieren ist nötig um in die fundamentalen Metaideen der Informatik vorzudringen: Algorithmisierung, strukturierte Zerlegung, Sprache; Informatik wiederum kann wichtige Beiträge zu den genannten 21st Century Skills liefern.

Mache ich das Wichtige richtig?

Programmieren ist nur ein Teilbereich und nicht gleichzusetzen mit informatischer Bildung an sich. Informatikunterricht sollte daher nicht ausschließlich ein Programmierkurs sein, Themen wie Datenbanken, Security, Kryptologie, Modellbildung sind ebenso notwendiger Bestandteil informatischer Bildung. Wichtig ist, dass Programmieren im Unterricht so umgesetzt wird, dass es die Kinder kreativ tätig werden lässt, algorithmisches Denken gefördert wird und man nicht bei Rekonstruktion und Dekonstruktion vorhandener Inhalte verharrt.

Wenn Informatik unterrichtet wird, dann beschränkt sich das des Öfteren auf Applikationsschulung, auf die Gewöhnung an die Maschine. Medienpädagogische Themen werden gestreift oder ausgelagert und Programmieren sowie Computational Thinking waren bislang kaum Thema im Unterricht der Primarstufe und wenig in der Sekundarstufe I.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an erziehungsorientierten Programmiersprachen und Robotern, die algorithmische Fähigkeiten fördern können, kindgerecht sind, mit denen man Elemente des Game Based Learning aufgreifen kann und die den Kindern Spaß machen. Trotz allem sollte man nicht in digitaler Euphorie über das Ziel schießen. Eine breite Bildung ist das Wichtigste, was man unseren Kindern mitgeben kann – und Programmieren ist ein Teil davon, für Buben wie für Mädchen.

 

Brandhofer, G. (2017). Mehrwert oder ein Wert an sich? Das Digitale und die Schule. Schule neu denken und medial gestalten; KidZ Sammelband, in press.

Schwill, A. (1993). Fundamentale Ideen der Informatik. Zentralblatt für  Didaktik der Mathematik, 25 (1), 20–31.

World Economic Forum. (2016). New Vision for Education:  Fostering Social  and Emotional Learning  through Technology. Genf: World Economic Forum.



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