Standardantwort Nr. 8: Dass man Programmieren in der Schule unterrichtet, bedeutet nicht, dass später alle Programmierer/innen werden sollen

Standardantwort Nr. 8: Dass man Programmieren in der Schule unterrichtet, bedeutet nicht, dass später alle Programmierer/innen werden sollen
dav

Genauso wenig wie es bedeutet, dass später alle Schriftsteller/in werden, nur weil sie in der Schule das Schreiben gelernt haben.

Angesichts der zwar unglaublichen und dennoch begrenzten Speicherkapazität unseres Zentralnervensystems und der überschaubaren Zeitkontingente für die Bildungsinstitutionen, stellen sich folgende Fragen für uns Lehrende immer wieder aufs Neue: Was soll Teil des Unterrichts sein und wie ist mein Unterricht gewinnbringend? Soll Programmieren und Robotik sowie Computational Thinking Platz finden in der Primar- und Sekundarstufe I, wo doch schon die grundlegenden Fertigkeiten wie Schreiben, Lesen und Rechnen von vielen Schülerinnen und Schülern nur teilweise beherrscht werden?

So wichtig die Kompetenzen Schreiben, Lesen und Rechnen auch sind, sie werden nicht reichen. Neben anderen Institutionen hat auch das World Economic Forum eine Übersicht zu den 21st-Century-Skills erstellt (hier). Bei den grundlegenden Fertigkeiten wird als eine von sechs ICT-Literacy angeführt. Was aber noch wichtiger ist: kreative Informatik, Coding und Robotik beeinflussen die vom WEF genannten Kompetenzen für komplexe Herausforderungen: kritisches Denken, Problemlösen, Kreativität, Kommunikation und Kollaboration.

Wenn man sich für die Implementierung von Programmieren in den Unterricht einsetzt, ist man dem Vorwurf ausgesetzt, dass Inhalte für eine kleine Minderheit in der künftigen Arbeitswelt propagiert werden. Dabei hat Informationstechnologie für die Wirtschaft enorme Bedeutung und bringt der Jugend gleichzeitig hervorragende Berufsaussichten. Programmieren ist Teil informatischer Bildung und diese ist unmittelbare Voraussetzung für eine Vielzahl von Berufen. Hinzu kommt, dass der Wandel in der Berufswelt durch die Leitmedientransformation uns vor neue Herausforderungen stellt, Faktenwissen ist heute sehr vergänglich, andere Kompetenzen werden von den Schulabgängern und Schulabgängerinnen verlangt. Dieser Tatsache wird das Bildungswesen noch nicht gerecht. Die bei der Auseinandersetzung mit Informatik erworbenen Kompetenzen beschränken sind nicht nur informatische, bei der Beschäftigung mit den 0en und 1en kann man auch viel über Physik, Mathematik, Deutsch, Philosophie, über Kooperation, Kommunikation lernen, Problemlösestrategien trainieren und Kreativität ausleben.

Wolf Lotter ist anderer Meinung und hat das (hier, der Artikel ist lesenswert – wegen anderer Passagen) schön zugespitzt: „Coden hilft beim kritischen Zweifeln und Finden origineller Lösungen ungefähr so gut wie Rosenkranzbeten gegen Rückenbeschwerden.“ Wenn man die Gelegenheit hatte, in das kreative Potential von visuellen Programmiersprachen wie Scratch einzutauchen, wenn man mit Kindern damit gearbeitet hat, dann kann man diese Position schwer nachvollziehen.

Wer weiß, wie man programmiert, hat einen tieferen Einblick in die Mechanismen der digitalen Welt. Um die Abstraktion weiter zu treiben: Programmieren ist nötig um in die fundamentalen Metaideen der Informatik vorzudringen: Algorithmisierung, strukturierte Zerlegung, Sprache; Informatik wiederum kann wichtige Beiträge zu den genannten 21st Century Skills liefern.

Programmieren ist nur ein Teilbereich und nicht gleichzusetzen mit informatischer Bildung an sich. Informatikunterricht sollte daher nicht ausschließlich ein Programmierkurs sein, Themen wie Datenbanken, Security, Kryptologie, Modellbildung sind ebenso notwendiger Bestandteil informatischer Bildung.

Wichtig ist, dass Programmieren im Unterricht so umgesetzt wird, dass es die Kinder kreativ tätig werden lässt, algorithmisches Denken gefördert wird und man nicht bei Rekonstruktion und Dekonstruktion vorhandener Inhalte verharrt.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an erziehungsorientierten Programmiersprachen und Robotern, die algorithmische Fähigkeiten fördern können, kindgerecht sind, mit denen man Elemente des Game Based Learning aufgreifen kann und die den Kindern Spaß machen. Trotz allem sollte man nicht in digitaler Euphorie über das Ziel schießen. Eine breite Bildung ist das Wichtigste, was man unseren Kindern mitgeben kann – und Programmieren ist ein Teil davon, für Buben wie für Mädchen.

Zur Übersicht: Acht Standardantworten zur digitalen Bildung



2 thoughts on “Standardantwort Nr. 8: Dass man Programmieren in der Schule unterrichtet, bedeutet nicht, dass später alle Programmierer/innen werden sollen”

  • Super Blog! Einfach super. Ich als Mutter von drei Kindern finde es wichtig, dass man Kinder an die neuen Medien, an die Robotik und auch an die Programmierung heranführt, unabhängig, welchen Berufsweg die Kinder einschlagen. Mein Mann und ich haben uns daher entschieden, dass wir unseren Kindern spielerisch die Kinder-Programmiersprache Scratch beibringen. Daher haben wir unseren Kindern ein paar Scratch-Bücher (https://kinderprogrammieren.de/buch/5-buecher-fuer-kinder-scratch-programmierung/) besorgt, die sehr schön die Kinder-Programmiersprache erklären. Wir finden das wichtig, dass man neue Themenfelder mit den Kindern bespricht und erlaeutert. Unseren Kindern macht Scratch Spaß; vor allem mit dem Buch mit der Maus. Und das ist das Wichtigste!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert